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Nitin Sawhney:London Undersound

„London Undersound“ ist das achte Studioalbum von Nitin Sawhney.

Nicht sofort ist man von dem einen oder anderen Song begeistert. Das stellt sich erst bei mehrmaligem Hören ein. R&b-Tracks fehlen dieses Mal völlig, dafür gibt es aber sogar rockige Gitarren.

Da Nitin Sawhney nicht selbst singt, lädt er sich Gäste ein, mit denen er die Tracks zusammen geschrieben hat. Wie immer dabei ist die brasilianisch-spanische Sängerin Tina Grace mit einem düsteren Triphop-Stück, wie wir sie von Tricky kennen. „Transmission“.  Darin geht es um die oberflächliche Überflutung durch die Medien, die keine wirklichen Informationen mehr liefern, sondern nur noch „Weapons of Mass Distraction“ sind.

Die ganz unterschiedlichen Beiträge zu diesem Thema werden durch Nitin Sawhney’s meisterhafte Produktion zusammengehalten.

Prominentester Gast ist wohl Paul MC Cartney. Mit ihm hat Nitin Sawhney schon bei seinem Fireman Projekt zusammen gearbeitet. Jetzt haben die beiden zusammen ein trauriges Liebeslied geschrieben. In der Einleitung zu dem Song spricht Paul McCartney über seine Erfahrung mit Paparrazzi. An dem Tag, an dem Paul McCartney in das Studio von Nitin Sawhney kam, erschien ein Foto in der Zeitung, das ihn für denselben Tag mit jemand in den USA zeigt. Er war erstaunt, in welcher Situation sie ihn fotografiert hatten, weil er gar niemand bemerkt hatte. Paul McCartney bezeichnet die Paparazzi als Leute, die deine Seele stehlen.

Wie schon auf früheren Alben gibt es kleine Interludes. Eines der Interludes spricht Ronald Gray, dem auch dieses Album gewidmet ist. Er war Kriegsveteran und hat zuletzt den Socialist Hammersmith Bookshop geführt. Dort hatte Nitin Sawhney auch zahlreiche Gespräche mit ihm über die Veränderungen von London. Er ist traurigerweise vor der Veröffentlichung des Albums gestorben.

So beschreibt Nitin Sawhney sein neues Album:

„London Undersound handelt davon, wie sehr sich London seit 9/11 verändert hat und wie andere Leute diese Veränderungen wahrnehmen. Ich erkenne Lodnon nicht mehr als den Ort wieder, der er vor zehn Jahren war ganz. Die Veränderung vollzog sich ganz unterschwellig und heimlich. Aber die Stadt ist jetzt massiv anders. London hat sich polarisiert auf eine Art, die ich unbehaglich und bedrohlich empfinde, besonders als Inder. Mit meiner Musik wollte ich die Dynamik einer Stadt erforschen, die sich in einem wichtigen Umbruch befindet.“

Ntin Sawhney hat sich mit allen Beteiligten ausführlich darüber unterhalten, wie sie London jetzt sehen. Natty war am Tavistock Square, als der Bus vor seinen Augen explodierte. Zwei Wochen später war er dabei, als der Brasilianer Charles de Menezes erschossen wurde, er saß einige Wagen weiter hinten in derselben U-Bahn. London war nicht mehr dieselbe Stadt wie vorher.

Der Track mit dem größten Hitpotential ist zweifellos „Distant Dreams“, gesungen von Roxanne Tataei. Roxanne erzählt darin, wie sie vom Urlaub träumt, wenn sie in der U-Bahn sitzt. Nitin Sawhney wollte diese Art von Eskapismus einfangen und orchestrierte ihn mit altmodischen Hollywood-Strings.

Zwei Instrumentals gibt es auf dem Album, eines davon mit Anoushka Shankar, dem letzten Track auf dem Album:Charu Keshi Rain, ein neues Arrangment eines alten Raags, den schon Ravi Shankar gespielt hat.

Aber nur Untergang und Verhängnis soll das Album nicht ausstrahlen. So denkt Nitin Sawhney letztlich nicht über London, das letzte Stück ist so etwas wie Reinigung. Es soll die negativen Seiten wegwaschen.

Wie seine früheren Alben hat Nitin Sawhney auch „London Undersound“ mit einem persönlichen Statement begleitet.

„Jeder Tag ist voll von Repräsentationen von Politikern, den Medien und der Macht der Gerüchte. Ob in bizarren Rechtfertigungen des Kriegs bis zu Themen wie Rasse, Nationalität, Religion und kultureller Identität:wir sind ständig gesättigt mit Informationen und Meinungen aus zweiter Hand.

Am 7.7. 2005 explodierte eine Bombe in einem Bus in London. Natty, ein Sänger und Freund von mir, war dabei. Zwei Wochen später war er auch dabei, als der Brasilianer Jean Charles de Menezes erschossen wurde.

Letztes Jahr haben wir einen Song darüber geschrieben.

Genauso wie ich findet Natty, dass sich etwas Undefinierbares geändert hat. London’s Herzschlag hat sich geändert.

In diesem Herzschlag liegt ein Geführt, ein kollektives Bewusstsein, das verbindende Summen ganz verschiedener Stimmen, die darauf warten, gehört zu werden.

Ein Sound.

Hier ist eine Sammlung von Gedanken, Ideen, Gefühlen und Katharsis in einer Stadt mit immenser Vielfalt, Ideenreichtum und Überzeugungen. Das Album featured ganz unterschiedliche Künstler, manche sind unbekannter, andere sind Berühmtheiten. Die Musik versucht den Zeitgeist und die alltägliche Menschlichkeit einzufangen, die oberflächliche Kluften durchdringt.

Es ist ein Album von Zusammenarbeiten, um das London, das ich kenne, zu bewahren.“

„Das ich liebe, das ich mag“ könnte man dazu setzen.

 


 

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