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Slumdog Millionaire

Slumdog Millionaire 1Stell Dir vor, Du bist Kandidat in der Show “Wer wird Millionär”, Du hast bis jetzt alle Fragen richtig beantwortet. Du stehst kurz vor dem Hauptgewinn und dann wirst Du verhaftet. Warum? Weil Du die richtigen Antworten wusstest. Das passiert Jamal Malik in dem Film „Slumdog Millionaire“. Weil er ein Junge aus den Slums von Mumbai ist, kann es nicht sein, dass er die Fragen richtig beantwortet, also betrügt er. Auf der Polizeiwache erzählt Jamal aufrichtig seine Lebensgeschichte, die erklärt, warum er unbedingt in die Show wollte. Jamal hofft, über die Show die Liebe seines Lebens Latika wieder zu finden. Das gelingt ihm. Jetzt ist zwar das Ende vorweggenommen, aber eigentlich trotzdem gar nichts verraten, weil der Weg dorthin so aufregend und so emotional mitreißend ist.

Danny Boyle kennt man als Regisseur von „Trainspotting“ und „The Beach“. Jetzt hat er „Slumdog Millionaire“ gedreht:„Das ist die Geschichte eines Jungen, der in der extremsten Stadt der Welt lebt, in Mumbai, und dort unter dem Einfluss der extremsten Erfahrung steht, die wir kennen:der romantischen Liebe.“ In Jamal sieht Danny Boyle eine Art modernen Oliver Twist.

Die Geschichte des Films entfaltet sich in den Verhören auf dem Polizeirevier. Jamal erklärt aus seiner Lebensgeschichte, warum er in der Lage war, jede einzelne Frage richtig zu beantworten. Er und sein Bruder Salim wachsen als Waisen in den Slums von Mumbai auf. Sie schlagen sich als Straßenkinder durch, und Jamal lernt das Waisenmädchen Latika kennen. Er sorgt für sie und verliebt sich unsterblich in sie. Während sich Jamal sich seine Gutherzigkeit bewahrt, rutscht sein Bruder Salim in die Gangsterszene ab. Jamal verliert Latika, die zur Heirat mit einem Gangsterboss gezwungen wurde. Jamal setzt alles aufs Spiel, um die Liebe seines Lebens wieder zu finden.

Slumdog Millionaire Jamal und Salim Der Film basiert auf dem ergreifenden Buch von Vikas Swarup „Q and A“, auf deutsch „Rupien, Rupien“. Die Romanvorlage bestand aus zwölf nicht zusammenhängenden Episoden. Der Drehbuchautor Simon Beaufoy hat daraus eine Rahmenerzählung gebaut, die die Lebensgeschichte von Jamal erzählt und gleichzeitig den Zuschauer von A nach B trägt. Ihm ging es darum, die zwei Schlüsselelemente des Romans zu erhalten:Einmal die Geschichte vom Tellerwäsche zum Millionär und dann den ungewöhnlichen Schauplatz:„Mumbai wirkt auf mich wie eine Stadt im schnellen Vorlauf.“

Und Mumbai ist ganz klar einer der Stars des Films, eingefangen in beeindruckenden und faszinierenden Bildern. Es war sehr schnell klar, dass man diesen Film nicht in der künstlichen und sterilen Umgebung eines Studios drehen könnte, da wäre keine Atmosphäre aufgekommen. Es wurde auch sehr schnell klar, dass man sich nicht mit einer großen 35 mm Kamera durch die Slums und Straßen von Mumbai bewegen konnte. Das Kamerateam stieg um auf digitale Handkameras. Dass Mumbai ins rechte Licht gerückt wurde, liegt wesentlich an der Kameraarbeit von Anthony Dod Mantle. Er hat „Der letzte König von Schottland“ gedreht und hat mit seinen Kameraarbeiten die Dogmabewegung um Lars von Trier maßgeblich beeinflusst. Und so sind einfach tolle Bilder von Mumbai entstanden, die kein Bollywoodfilm zu bieten hat. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in den Slums von Dharavi und Juhu zusammen mit den Leuten vor Ort.

Auch bei der Auswahl der Darsteller bewies Danny Boyle großes Geschick. Die Hauptfigur Jamal wird von dem British-Asian Nachwuchsschauspieler Dev Patel gespielt, der sehr gut die ruhige und beharrliche Art von Jamal rüberbringt. Die Inderin Freida Pinto war bisher nur in Serien zu sehen, jetzt spielt sie die über alles geliebte Latika. Für die Rolle des unsympathischen Showmasters konnte Danny Boyle den Bollywood-Megastar Anil Kapoor gewinnen. Und den besonnenen Polizeibeamten spielt der indische Schauspieler Irrfan Khan, hier bekannt als Vater aus „The Namesake“.

Ganz wichtig und hervorragend ist natürlich der Soundtrack von A.R. Rahman, der die Atmosphäre der Films kongenial aufgreift und ein paar wirklich tolle Tracks enthält.

Kann denn ein westlicher Regisseur überhaupt einen indischen Film drehen? Das Ergebnis spricht eindeutig dafür. Ein cineastisches Curry, so emotional wie ein Bollywoodfilm, so westlich wie ein Hollywoodfilm.

Der Film heimst zurzeit einen Preis nach dem anderen ein und hat jeden einzelnen davon verdient.

Slumdog Millionaire
Regie: Danny Boyle
Kinostart: 19.03.09

 


  

Hippie Masala - Für immer Indien


Ab Mitte der 60er Jahre zogen tausende westlicher Hippies auf der Suche nach Erleuchtung, freien Drogen oder einem ursprünglicheren Leben nach Asien. Allein 1970 reisten 6 Mio Westler nach Indien. Indische Bauern vermuteten hinter dieser Wanderbewegung eine Dürre im Westen. Die heiligen Männer in Indien dagegen spürten darin die Sehnsucht nach Spiritualität. Die meisten Aussteiger reisten nach Monaten oder Jahren wieder in ihre Heimat zurück. Einige blieben dort hängen „Hippie Masala“ zeigt allmählich ins Rentenalter kommenden Blumenkinder, die auf der Flucht vor der westlichen Zivilisation in Indien ein neues Zuhause gefunden haben.

Der Schweizer Regisseur Ulrich Grossenbacher beschreibt seine Motive so:

„Was mich auf die Idee eines Films über Hippies in Indien gebracht hat, sind meine eigenen Erfahrungen als jugendlicher Indienreisender. Ende der 1970er Jahre gelang es mir gerade noch, auf den grossen Indien-Treck aufzuspringen, und in der Folge verbrachte ich längere Zeit auf dem Subkontinent. Dabei versagte ich mir keine der Erfahrungen - Abenteuer, Drogen, Mystik, tiefgründigen Lebensphilosophien-  die zur Grundausstattung des damaligen romantischen Aussteigertums gehörten. Ich bewunderte die Travellers, die bereits seit mehr als zehn Jahren unterwegs waren und offensichtlich nicht mehr das geringste Bedürfnis nach der heimatlichen Enge hatten. Ihre manchmal tragischen, des öfteren aber komischen Geschichten faszinierten mich schon damals.“

Den meisten Protagonisten des Films haftet etwas Bizarres und Befremdliches an. Der völlig abgemagerte, gebeugte Italiener Cesare zum Beispiel lebt seit 28 Jahren als Yogi in einer abgelegenen Höhlen; sein ausländischer Ursprung kaum mehr zu erkennen ist. Der Schweizer Hanspeter betreibt in der Himalaya-Region einen kleinen Bauernbetrieb und baute sich, unterstützt von seinen Eltern in der Schweiz, gerade ein riesiges Haus. Wegen seiner dickköpfigen Art gerät er immer wieder in Konflikte mit der Dorfbevölkerung und seine indische Frau Babali muss vermitteln. Die belgische Asketin Meera lebt seit 18 Jahren im zentralindischen Hampi, wo sie sich mit den Almosen ausländischer Gäste durchschlägt, die sie im Gegenzug mit spirituellen Anleitungen versorgt.

Recht normal und glücklich wirkt der holländische Kunstmaler Robert, der seit mehr als 25 Jahren im zentralindischen Hampi auf einer idyllischen Insel mit seiner jungen Familie lebt. Die Zwillinge aus Südafrika – zwei Frauen - pflegen in Goa das Image der ewig-jugendlichen Blumenkinder und leben recht gut davon, Hippieklamotten zu nähen und an die die Ewiggestrigen und die neue Generation der Goa-Freaks zu verkaufen.

Insgesamt ein seltsames, aber doch sehenswertes Panoptikum. Eins ist klar, Rente gibt es dort nicht und man fragt sich, wie die Freaks in zehn, fünfzehn Jahren leben werden.

Hippie Masala – Für immer Indien
CH 2006, 93 Minuten
Regie: Ulrich Grossenbacher, Dalmares Lüthi

 

Fotos: Koolfilm

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